Ende der 1980er habe ich mein Publizistikstudium erfolgreich abgebrochen. Die alten Haudegen, die ich teilweise als Profs hatte, haben uns so Dinge gesagt, wer das Studium abschliesst, sei zu blöd für den Job und müsse in der PR sein Brot verdienen.
Dann arbeitete ich bei verschiedenen Zeitschriften und Magazinen und lernte relativ schnell, dass an fast allen Schreibtischen Lohnschreiber sassen und die Grenzen zwischen Werbung, PR und recherchiertem Artikel mehr als fliessend waren.
Ich habe auch erlebt, wie Herausgeber die Geschichten umgeschrieben haben, damit sie sich besser verkaufen. Und ich habe Redakteure gesehen, die nach dem Umschreiben noch schnell ihren Namen aus dem Artikel raus löschten.
Irgendwann hab ich frustriert in die Werbung gewechselt und ins Layout. Das war nicht das, was ich unter Journalismus verstand. Ich nannte es Journaille.
Das, was die Journaille treibt, das kann die KI locker und gerne ersetzen. Doch gerade in den vergangenen 5 Jahren hat sich gezeigt, dass es Journalisten gibt, die das wollen und umsetzen, was ich noch auf der Publizistik gelernt habe. Check, Gegencheck, Recheck. Echte Recherche. Nachhaken, wo es unbequem wird. Die auch die Konsequenzen tragen, wenn es einem System nicht passt, dass das veröffentlicht wird.
Und DIE kann keine KI dieser Welt ersetzen. Denn die KI ist eigentlich eine KR, eine künstliche, sauschnelle Recherche in dem, was in der allwissenden Müllhalde zu finden ist. Intelligenz, Phantasie und Empathie sind in der Lage, neues zu schöpfen. Und während die KR den Routinekram macht, kann der Mensch sich dem schöpferischen Akt hingeben.
Eine KI, um beim verbreiteten Begriff zu bleiben, kann auch keine Fakten checken. Denn es liegt an der Programmierung und dem Material, auf das die KI Zugriff hat. Wenn eine überwiegende Anzahl an Quellen schreibt, dass 2+2=5 korrekt ist, dann wird die KI das als Faktum präsentieren.
Für mich ist KI ein interessantes Werkzeug. Genauso wie mein Füller, mit dem ich jeden Tag meine Morgenseiten schreibe. Beides hat seine Faszination und seinen Einsatzbereich.
Wow, Margot – dein Kommentar ist fast ein eigener Essay. Und ehrlich gesagt: Ich hab ihn nicht nur gelesen, ich hab ihn gefeiert. Weil du gnadenlos klar machst, worüber wir im Journalismus viel zu selten öffentlich sprechen: Dass ein großer Teil der sogenannten Qualitätspresse längst ein Hybrid aus PR, Clickbait und narzisstischer Selbstbespiegelung geworden ist – und zwar lange vor der KI.
Deine Beobachtung, dass KI genau diesen Teil problemlos ersetzen kann, trifft’s. Aber auch dein Punkt, dass es eben noch die anderen gibt – die, die wirklich recherchieren, nachhaken, Konsequenzen tragen – ist zentral. Die dürfen wir nicht verlieren.
Und ja: Wenn man KI als KR – als künstliche Recherche – versteht, ergibt das plötzlich eine ganz neue Rollenverteilung. Die Maschine sortiert die Müllhalde, wir suchen den Diamanten. Der Füller und die Morgenroutine – das Bild nehm ich mit.
Danke dir für diesen ungeschönten, kraftvollen Blick zurück und nach vorn.
Danke fürs Lesen, Feiern und Kommentieren. Es ist mein persönlicher Weg und Blickwinkel, meine Erfahrung, oft gedacht, nie zusammenhängend ausformuliert. Du hast mir den Impuls gegeben, das einfach mal von der Seele zu tippen. Danke dafür.
Ich feiere diesen Text. Und gleichzeitig weine ich still, gilt das hier Geschriebene doch für jeglichen Content, für jeden menschlichen Ausdruck, ob in Wort, Schrift oder Bild. Es wird zukünftig nur noch darum gehen, wofür wir morgens aufstehen und worin der tiefere Sinn des Lebens besteht. Viele werden das nicht schaffen.
Katja, danke! Du hast genau den Nerv getroffen: Es geht am Ende nicht um Content, sondern um das, was uns morgens aufstehen lässt. Und wenn KI uns zwingt, uns das ehrlich zu fragen – dann hat sie uns einen großen Dienst erwiesen. Auch wenn’s weh tut. Umso schöner, dass du es so offen ansprichst.
Ja, ja und ja! Toller Artikel mit ganz viel Anreizen zum Nachdenken. Ich schaue da natürlich aus einer technischen Brille drauf und muss sagen, dass bei wir bei manchen Bereichen einfach noch nicht so weit sind, meist weil die Daten in der richtigen Struktur und Detailtiefe fehlen, damit LLMs daraus sinnvolle Texte erstellen können. Ein Beispiel dazu habe ich gerade in meinem aktuellen Podcast diskutiert, da geht es um die Generierung von Fußball-Spielberichten. Mich würde sehr interessieren, was du dazu denkst!
Danke dir für deinen Kommentar, Larissa – super spannender Punkt! Ich komme ja selbst aus dem Fußballjournalismus und weiß, dass KI-generierte Spielberichte schon auf einigen Plattformen eingesetzt werden. Ich hab’s bisher nicht im Detail verfolgt, aber mein Gefühl ist: Man merkt noch oft, dass es aus der Maschine kommt – vor allem bei Dramaturgie, Atmosphäre und dem, was zwischen den Zahlen passiert.
Was mich aber auf dem Nordic Media in AI Summit in Kopenhagen echt zum Nachdenken gebracht hat, war diese Idee, dass in Zukunft nicht mehr ganze Artikel oder Sendungen abgeliefert werden, sondern modulare Datenpakete – flexibel für jedes Format, ob Text, Audio, Podcast oder Social. Das funktioniert jetzt schon überraschend gut und wird sich rasant verbessern.
Wenn man dann noch Systemprompts mit echtem Fußballwissen füttert – über Taktik, Fankultur, aktuelle Entwicklungen bei Vereinen, Spielern, Ligen – dann sehe ich keinen Grund, warum KI nicht irgendwann richtig gute Spielberichte schreiben könnte. Vorausgesetzt, man will überhaupt noch Texte im klassischen Sinne.
Mega-Interessant. Danke für die offenen und klaren Worte. Bin kein Journalist, aber was Du hier schreibst, empfinde ich seit langem. Speziell die Qualität des heutigen Journalismus (Ausnahmen bestätigen die Regel).
Ende der 1980er habe ich mein Publizistikstudium erfolgreich abgebrochen. Die alten Haudegen, die ich teilweise als Profs hatte, haben uns so Dinge gesagt, wer das Studium abschliesst, sei zu blöd für den Job und müsse in der PR sein Brot verdienen.
Dann arbeitete ich bei verschiedenen Zeitschriften und Magazinen und lernte relativ schnell, dass an fast allen Schreibtischen Lohnschreiber sassen und die Grenzen zwischen Werbung, PR und recherchiertem Artikel mehr als fliessend waren.
Ich habe auch erlebt, wie Herausgeber die Geschichten umgeschrieben haben, damit sie sich besser verkaufen. Und ich habe Redakteure gesehen, die nach dem Umschreiben noch schnell ihren Namen aus dem Artikel raus löschten.
Irgendwann hab ich frustriert in die Werbung gewechselt und ins Layout. Das war nicht das, was ich unter Journalismus verstand. Ich nannte es Journaille.
Das, was die Journaille treibt, das kann die KI locker und gerne ersetzen. Doch gerade in den vergangenen 5 Jahren hat sich gezeigt, dass es Journalisten gibt, die das wollen und umsetzen, was ich noch auf der Publizistik gelernt habe. Check, Gegencheck, Recheck. Echte Recherche. Nachhaken, wo es unbequem wird. Die auch die Konsequenzen tragen, wenn es einem System nicht passt, dass das veröffentlicht wird.
Und DIE kann keine KI dieser Welt ersetzen. Denn die KI ist eigentlich eine KR, eine künstliche, sauschnelle Recherche in dem, was in der allwissenden Müllhalde zu finden ist. Intelligenz, Phantasie und Empathie sind in der Lage, neues zu schöpfen. Und während die KR den Routinekram macht, kann der Mensch sich dem schöpferischen Akt hingeben.
Eine KI, um beim verbreiteten Begriff zu bleiben, kann auch keine Fakten checken. Denn es liegt an der Programmierung und dem Material, auf das die KI Zugriff hat. Wenn eine überwiegende Anzahl an Quellen schreibt, dass 2+2=5 korrekt ist, dann wird die KI das als Faktum präsentieren.
Für mich ist KI ein interessantes Werkzeug. Genauso wie mein Füller, mit dem ich jeden Tag meine Morgenseiten schreibe. Beides hat seine Faszination und seinen Einsatzbereich.
Wow, Margot – dein Kommentar ist fast ein eigener Essay. Und ehrlich gesagt: Ich hab ihn nicht nur gelesen, ich hab ihn gefeiert. Weil du gnadenlos klar machst, worüber wir im Journalismus viel zu selten öffentlich sprechen: Dass ein großer Teil der sogenannten Qualitätspresse längst ein Hybrid aus PR, Clickbait und narzisstischer Selbstbespiegelung geworden ist – und zwar lange vor der KI.
Deine Beobachtung, dass KI genau diesen Teil problemlos ersetzen kann, trifft’s. Aber auch dein Punkt, dass es eben noch die anderen gibt – die, die wirklich recherchieren, nachhaken, Konsequenzen tragen – ist zentral. Die dürfen wir nicht verlieren.
Und ja: Wenn man KI als KR – als künstliche Recherche – versteht, ergibt das plötzlich eine ganz neue Rollenverteilung. Die Maschine sortiert die Müllhalde, wir suchen den Diamanten. Der Füller und die Morgenroutine – das Bild nehm ich mit.
Danke dir für diesen ungeschönten, kraftvollen Blick zurück und nach vorn.
Danke fürs Lesen, Feiern und Kommentieren. Es ist mein persönlicher Weg und Blickwinkel, meine Erfahrung, oft gedacht, nie zusammenhängend ausformuliert. Du hast mir den Impuls gegeben, das einfach mal von der Seele zu tippen. Danke dafür.
Ich feiere diesen Text. Und gleichzeitig weine ich still, gilt das hier Geschriebene doch für jeglichen Content, für jeden menschlichen Ausdruck, ob in Wort, Schrift oder Bild. Es wird zukünftig nur noch darum gehen, wofür wir morgens aufstehen und worin der tiefere Sinn des Lebens besteht. Viele werden das nicht schaffen.
Katja, danke! Du hast genau den Nerv getroffen: Es geht am Ende nicht um Content, sondern um das, was uns morgens aufstehen lässt. Und wenn KI uns zwingt, uns das ehrlich zu fragen – dann hat sie uns einen großen Dienst erwiesen. Auch wenn’s weh tut. Umso schöner, dass du es so offen ansprichst.
Bin am Handy, ich antworte später ausführlicher.
Ja, ja und ja! Toller Artikel mit ganz viel Anreizen zum Nachdenken. Ich schaue da natürlich aus einer technischen Brille drauf und muss sagen, dass bei wir bei manchen Bereichen einfach noch nicht so weit sind, meist weil die Daten in der richtigen Struktur und Detailtiefe fehlen, damit LLMs daraus sinnvolle Texte erstellen können. Ein Beispiel dazu habe ich gerade in meinem aktuellen Podcast diskutiert, da geht es um die Generierung von Fußball-Spielberichten. Mich würde sehr interessieren, was du dazu denkst!
Danke dir für deinen Kommentar, Larissa – super spannender Punkt! Ich komme ja selbst aus dem Fußballjournalismus und weiß, dass KI-generierte Spielberichte schon auf einigen Plattformen eingesetzt werden. Ich hab’s bisher nicht im Detail verfolgt, aber mein Gefühl ist: Man merkt noch oft, dass es aus der Maschine kommt – vor allem bei Dramaturgie, Atmosphäre und dem, was zwischen den Zahlen passiert.
Was mich aber auf dem Nordic Media in AI Summit in Kopenhagen echt zum Nachdenken gebracht hat, war diese Idee, dass in Zukunft nicht mehr ganze Artikel oder Sendungen abgeliefert werden, sondern modulare Datenpakete – flexibel für jedes Format, ob Text, Audio, Podcast oder Social. Das funktioniert jetzt schon überraschend gut und wird sich rasant verbessern.
Wenn man dann noch Systemprompts mit echtem Fußballwissen füttert – über Taktik, Fankultur, aktuelle Entwicklungen bei Vereinen, Spielern, Ligen – dann sehe ich keinen Grund, warum KI nicht irgendwann richtig gute Spielberichte schreiben könnte. Vorausgesetzt, man will überhaupt noch Texte im klassischen Sinne.
Ich hör gerne mal in deinen Podcast rein!
Passend zum Text ging vorgestern das Kentucky-Derby aus. Das kann kaum Zufall sein …😉
https://rumble.com/v6sy5fh-a-horse-named-sovereignty-won-the-kentucky-derby-over-journalism..html
Mega-Interessant. Danke für die offenen und klaren Worte. Bin kein Journalist, aber was Du hier schreibst, empfinde ich seit langem. Speziell die Qualität des heutigen Journalismus (Ausnahmen bestätigen die Regel).
Dude ! Just today I had to acknowledge the 4.0 is really here! Like really here