Die große digitale Selbsttäuschung: Eine mitteleuropäische Tragödie
Über die Kunst, den technologischen Anschluss zu verlieren und dabei noch zu glauben, man säße in der ersten Reihe der Geschichte
In den klimatisierten Hallen der Silicon-Valley-Imperien werden gerade die Algorithmen geschrieben, die morgen über das Schicksal ganzer Kontinente entscheiden werden. Dort, wo einst Garagen-Startups von der digitalen Revolution träumten, entstehen heute die neuralen Netze einer neuen Weltordnung. Mit der "Stargate"-Initiative und einer schwindelerregenden Investition von 500 Milliarden Dollar manifestiert sich der amerikanische Gestaltungswille in seiner reinsten Form: als unbedingter Wille zur technologischen Macht.
Das Verschwinden im bürokratischen Nichts
Währenddessen kultiviert Europa seine ganz eigene Form der digitalen Dekadenz. In den gedämpften Fluren Brüsseler Behörden, wo die Zeit noch in Legislaturperioden gemessen wird und Innovationen den beschwerlichen Weg durch das Labyrinth der Verwaltung nehmen müssen, feiert die Regulierungswut ihre stillen Triumphe.
Mit der Akribie eines besessenen Archivars werden Bedenken katalogisiert, Risiken in Fünffachausfertigung dokumentiert und jeder innovative Gedanke so lange durch den bürokratischen Wolf gedreht, bis von seiner ursprünglichen Substanz nur noch ein blasses Abbild übrig bleibt – selbstverständlich normgerecht und DSGVO-konform.
Das chinesische Spiegelbild
Im Reich der Mitte erwächst derweil eine andere Vision der Zukunft. Mit der mechanischen Präzision eines perfekt orchestrierten Systems produziert China nicht weniger als 70.000 wissenschaftliche Publikationen pro Jahr im Bereich der Künstlichen Intelligenz. Eine Zahl, die in europäischen Amtsstuben vermutlich als Tippfehler klassifiziert und zur Korrektur zurückgeschickt würde
Die deutsche Parallelwelt
In der Berliner Republik, diesem merkwürdigen Zwischenreich aus digitalen Träumen und analoger Wirklichkeit, hat sich eine ganz eigene Form der technologischen Bewusstseinsspaltung entwickelt. Das einstige Land der Denker und Erfinder hat sich in ein kafkaeskes Theater verwandelt, in dem jede neue Idee erst einmal durch siebzehn Ethikkommissionen und dreiundzwanzig Verwaltungsebenen wandern muss – nur um am Ende festzustellen, dass das entsprechende Genehmigungsformular leider nur auf Schreibmaschine ausgefüllt werden darf. Fortschritt? Gerne! Aber bitte mit Durchschlag und beglaubigter Kopie.
Der britische Sonderweg ins Nirgendwo
Die Briten, in ihrer splendid isolation nach dem Brexit, haben unterdessen beschlossen, dass sie auch im digitalen Zeitalter einen Sonderweg beschreiten müssen. Mit der Verwegenheit eines Aliceischen Hutmachers werfen sie sich in das KI-Abenteuer – als hätten sie beim Verlassen der EU auch gleich alle kontinentalen Bedenken an der Grenze abgegeben. Eine erfrischende Naivität, die in Brüssel etwa so willkommen ist wie ein Vegetarier beim Metzgerkongress.
Die bürokratische Apokalypse
Während in den Innovationszentren dieser Welt die digitale Zukunft nicht nur gedacht, sondern gebaut wird, perfektioniert Europa die hohe Kunst der administrativen Selbstfesselung. In den verstaubten Korridoren der Macht werden Formulare mit der Inbrunst religiöser Texte studiert, Verordnungen mit der Präzision von Schweizer Uhrmachern ausgefeilt und Bedenken mit der Hingabe eines Sammlers rarer Briefmarken gehütet.
Der Ausweg, den keiner sehen will
Die Ironie dieser digitalen Tragödie liegt in ihrer vorhersehbaren Vermeidbarkeit. Europa verfügt über alles, was es für den Sprung in die technologische Zukunft bräuchte: exzellente Universitäten, brillante Köpfe, eine hochentwickelte Industriekultur. Was fehlt, ist nicht das Können, sondern der Mut zum Handeln, die Bereitschaft, den sicheren Hafen der Überregulierung zu verlassen und sich auf das offene Meer der Innovation zu wagen.
Das Ende der Selbsttäuschung
So steht Europa nun am Scheideweg seiner digitalen Geschichte. Während die USA ihr "Stargate" zur technologischen Vorherrschaft bauen und China seine digitale Seidenstraße pflastert, diskutiert der alte Kontinent noch immer über die moralischen Implikationen selbstlernender Algorithmen – als wäre die ethische Überlegenheit ein ausreichender Ersatz für technologische Relevanz.
Die Zeit der komfortablen Selbsttäuschungen neigt sich dem Ende zu. Europa muss sich entscheiden: Will es ein Museum der digitalen Revolution werden oder einer ihrer Gestalter? Die Antwort auf diese Frage wird nicht in den Amtsstuben Brüssels gefunden werden, sondern in unserer persönlichen Bereitschaft, das behagliche Gefängnis der Überregulierung gegen die unbequeme Freiheit der Innovation einzutauschen.
P.S.: In der Zeit, die es brauchte, diesen Text zu verfassen, hat China vermutlich mehr KI-Patente angemeldet als ganz Europa im letzten Quartal.
Aber wir benutzen natürlich den EU-Prozessor auf der EU-Hardware auf den EU-Netzen, jetzt endlich mit dem EU-Stecker und EU-Wissen. Nicht weitersagen, mit US-Gas
KI besteht aus Rechnerfarmen mit eigenen Kraftwerken (v.a. zur Kühlung - hat sich da schon jemand angeschaut, was Musk in 6 Monaten für X hingestellt hat?, natürlich nicht), zudem hat die Konkurrenz gemerkt, dass die Daten Handelsware sind. Und der Michel weiß, dass sein Kalium-Wert natürlich sein heiliges Privateigentum ist.